2022 Video
Dauer: 03:13
Marie Siewierski setzt sich in ihren Installationen aus Videos, Bildern, Objekten und Textilien mit Gewalt und körperlichen Überschreitungen auseinander. Sie übersetzt die Thematik von gefährlicher Nähe einerseits in klare, malerische Narrationen, andererseits in subtile Andeutungen von Stoffbahnen und surrealen Traumbildern.
Die Videoinstallation Flussbett fällt durch ein sinnliches Bühnenbild auf. Weiße Stoffbahnen konturieren Räu- me ohne sie klar zu definieren. Betten, genähte Laken, gestickte Worte und die darin sich bewegende Künst- lerin strahlen zunächst Ruhe aus, eine fast poetische Atmosphäre. Wäre da nicht eine Armprothese, wären da nicht die Worte und Sätze. „Das bist ja nicht du“ oder „Komm zurück“ liest man, während die weißgekleide- te Frau sich in ihrer Welt fast aufzulösen scheint. Unheimlichkeit schleicht sich ein. Wird zu ihr gesprochen? Wird ihr eine fatale, scheinbare Freiwilligkeit eingeredet? Übergriffigkeit passiert nicht immer laut, nicht immer brutal plötzlich, nicht immer schnell. Sie passiert auch langsam, still, manipulierend, geduldig.
In anderen Bildsequenzen sieht man Ohren im Wasser. Wer wird hier gehört? Und wer nicht?
Oder verschwimmen die verschiedenen Stimmen zu einem gefährlich sachten Dröhnen der Unkenntlichkeit? Der Titel Flussbett meint genau diese Bewegungen. Etwas kommt zum Vorschein, etwas anderes verschwin-
det. Ob es der Wahrheitsfindung dient, ob es Gerechtigkeit bringt, bleibt offen. „Alle schauen, obwohl niemand etwas gesehen hat“ hört man im Video. Grausame Gruppendynamiken sind genauso Teil von sexualisierter Gewalt, wie Täter, die Feinfühligkeit vorgaukeln. Der Betrachter steht an einem markierten Punkt, ein grauer Kreis. Über ihm der Lautsprecher mit der Tonsequenz. Er sieht frontal auf das Video. Aber was sieht er wirk- lich? Direkte Gewalt kommt nicht vor. Wirklich abstrakt ist das Narrativ aber auch nicht. Siewierskis Figuration ist eine bedachte Komposition zwischen klaren Anspielungen und verschwommenen Spuren.
Text von Larissa Kikol für den Katalog zur Hiscox Ausstellung 2022
(Video-Link auf Anfrage)

Back to Top